Thüringer Handwerkskammern legen Empfehlungen für Exit-Strategie vor
14.04.2020
Das Thüringer Handwerk braucht eine klare Exit-Strategie. Aus diesem Grund haben die drei Thüringer Handwerkskammern der Landesregierung detaillierte Empfehlungen mit auf den Weg gegeben, um die Handwerksbetriebe des Freistaats aus der Coronakrise zu führen. „Für unsere rund 30.000 Handwerksunternehmen, ihre 151.000 Beschäftigten und mehr als 7.000 Auszubildenden im Freistaat braucht es jetzt Lösungen, wie die wirtschaftlichen Geschäftsprozesse – mit dem Blick auf Gesundheitsschutz und Risikominimierung – nach dem 19. April wieder anlaufen können“, so die Handwerkskammer-Präsidenten Klaus Nützel (Handwerkskammer für Ostthüringen), Stefan Lobenstein (Handwerkskammer Erfurt) und Manfred Scharfenberger (Handwerkskammer Südthüringen).
Öffnung von Geschäften und Dienstleistern
Persönlichen Dienstleistern, wie Friseuren, Kosmetikern und Fußpflegern muss zeitnah ab dem 20. April eine Öffnung unter Beachtung strenger Hygienevorschriften (Mundschutz für Dienstleister und Kunden, Desinfektionsmöglichkeiten) gewährleistet werden. Dabei ist eine Festlegung der Maximalkundenzahl sowie von Ausnahmekriterien unerlässlich. Es wird ein Bestellsystem empfohlen, in dem auch eine Kontaktdokumentation erfolgt, um mögliche Infektionswege nachvollziehen zu können. Für die Tätigkeit in Alten- und Pflegeheimen müssen aufgrund der dort betreuten Risikopersonen gesonderte Betrachtungen herangezogen werden.
Auch weiteren Handwerksunternehmen mit Ladengeschäften muss ab dem 20. April eine vollständige Öffnung ermöglicht werden. Dazu zählen beispielsweise Schuhmacher, Schneider, Goldschmiede, Uhrmacher und Autohäuser. Auch hier haben ein kontrollierter Zugang mit Bestellsystem und Kontaktdokumentation unter Beachtung von Selbstschutzmaßnahmen Berücksichtigung zu finden.
Auf Grund der erhöhten Erfordernisse in Bezug auf Hygiene und Kundenfrequenz sind für einen bestimmten Zeitraum Ladenöffnungszeiten und Arbeitszeitregelungen zu erweitern und zu flexibilisieren.
„Gerade im Gesundheitshandwerk sowie ihren Handwerksunternehmen mit Ladengeschäft droht ansonsten bei einer Fortführung der erlassenen Schließungen eine Insolvenzwelle in enormen Ausmaß“, warnen die Kammerpräsidenten. „Wenn große Lebensmittelketten, Drogerien und selbst Baumärkte öffnen dürfen, ist es unseren Handwerksbetrieben nicht länger zu vermitteln, warum sie geschlossen bleiben müssen“, so die Kammerpräsidenten.
Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen sukzessive öffnen
Schulen, Bildungseinrichtungen und Kindertagesstätten sind in einem Stufenplan ab spätestens 4. Mai wieder zu öffnen. Besondere Berücksichtigung sollten dabei die Abschlussklassen sowohl in allgemeinbildenden Schulen als auch in der Berufsausbildung finden, um anstehende Prüfungen zeitnah durchführen zu können. Diesen Schülerinnen und Schülern sowie Auszubildenden ist vorrangig der Zugang zu Schulen und Bildungseinrichtungen zu ermöglichen. Um das Risiko einer Infektion beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln zu vermeiden, empfiehlt das Handwerk das Tragen eines Mundschutzes sowie flexible Unterrichtszeiten, um die Klassengrößen zu minimieren.
Grundschule sowie die Klassenstufen 5-8 starten zu einem späteren Zeitpunkt in den Unterricht, wobei eine Hortbetreuung mit Augenmaß zu gewährleisten ist. Gerade die Betreuungsaspekte sind bei der Exit-Strategie wichtig, um die wirtschaftliche Funktionalität durch entsprechende Personalressourcen zu ermöglichen und Mitarbeiterausfälle durch Kinderbetreuung auf ein Minimum zu senken.
Gleichzeitig sind Maßnahmen wie die Meisterausbildung und weitere Aufstiegsfortbildungen (auch unter Beachtung der Förderrichtlinien) systematisch aufzunehmen. Die Bildungseinrichtungen des Handwerks sind ebenfalls wieder schrittweise in Betrieb zu nehmen. Dabei sollte zwingend auf eine klare Definition der Gruppenstärken, entsprechende Hygienevorschriften und den Gesundheitsschutz geachtet werden.
Erleichterte Auftragsvergabe durch öffentliche Verwaltung
Öffentliche Aufträge und Leistungen müssen mit einer schlanken und kontinuierlichen Vergabe erfolgen. Umfangreiche Ausschreibungen sind nach Möglichkeit zu vermeiden, um die Auftragsvergabe zu beschleunigen. Gleichzeitig ist bei erfüllten Aufträgen auf eine rasche Auszahlung oder gegebenenfalls auch Teilauszahlungen an die Unternehmen zu achten.
Finanzierung für den Mittelstand
Es ist weiterhin eine reale und vor allem schnelle Zurverfügungstellung der Mittel aus den Soforthilfeprogrammen an die Antragssteller zu gewährleisten. Gleichzeitig sind für die Überbrückungs- und Anlaufphase die verschiedenen Finanzierungsbausteine auf die Erfordernisse vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen anzupassen und bedarfsgerechte Konzeptionen wie beispielsweise Tilgungszuschüsse, Mikrodarlehen und Beteiligungsvarianten vorzuhalten.
„All diese Punkte tragen maßgeblich dazu bei, dass eine Insolvenzwelle im kleinen und mittelständisch geprägten Handwerk vermieden werden kann. Eine Verlängerung des sogenannten Shutdown birgt das erhebliche Risiko einer Insolvenz vieler Handwerksunternehmen und den damit verbundenen Wegfall tausender Arbeitsplätze im Handwerk Thüringens“, drängen die Präsidenten der drei Handwerkskammern auf Berücksichtigung ihrer Vorschläge.