Das Handwerk wird gebraucht - Ein Ausblick in das neue Jahr
08. Januar 2025
HWK-Präsident Stefan Lobenstein wagt einen Ausblick in das neue Jahr
Wie fällt Ihre Bilanz für 2024 für das Nord- und Mittelthüringer Handwerk aus?
Es hat sich auch im vergangenen Jahr ganz klar gezeigt: Das Handwerk wird gebraucht, gestern, heute und auch morgen. Seit Jahren und Jahrzehnten ist es ein wichtiger Stabilitätsfaktor und damit eine unverzichtbare Stütze der Thüringer Wirtschaft. Und: Es meistern Krisen so gut wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig. Gleichzeitig steht das Handwerk vor Herausforderungen und Umbrüchen.
Zu den Herausforderungen zählen der Fachkräftemangel und die fehlende Nachfolge, die sich unter anderem auf Betriebsschließungen auswirken.
Bei etwa einem Drittel der Betriebe in Nord- und Mittelthüringen steht in den nächsten Jahren die Übergabe und der Schritt in die wohlverdiente Rente an. Nicht immer in ein Familien- oder Teammitglied bereit, den Betrieb weiterzuführen. Fakt ist: Der Betriebsbestand im Kammerbezirk ist seit Jahren rückläufig, vor allem in den zulassungspflichtigen Handwerken. Im vergangenen Jahr wurden 246 Betriebe geschlossen, davon allein 120 Betriebe im Bau- und Ausbaugewerbe. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass vor allem ältere Betriebsinhaber angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung in Sorge sind und schließen ihre Betriebe lieber schließen, bevor sie möglicherweise in die Privatinsolvenz rutschen. Das ist ein Trend, dem die Politik dringend entgegenwirken muss.
Wie kann das gelingen?
Damit die Versorgung der Menschen, besonders im ländlichen Thüringen, auch zukünftig gewährleistet bleibt, muss ein Sterben der Betriebe unbedingt vermieden werden. Die Handwerkskammer Erfurt setzt sich unter anderem für die Stärkung der beruflichen Bildung und die Gleichwertigkeit der akademischen und beruflichen Ausbildung ein. Wir bauen beispielsweise darauf, dass die neue Landesregierung die Berufsorientierungsmaßnahmen der Handwerkskammer und des BBZ stärkt. Gleichzeitig fordern wir die Verstetigung des Praktikumsprämie, die sich 2024 als echtes Erfolgsprojekt herausgestellt hat.
Thüringen hat eine neue Wirtschaftsministerin, im Februar steht die vorzeitige Bundestagswahl an. Welche Erwartungen hat das Handwerk?
Die wirtschaftspolitischen Herausforderungen müssen in den neuen Regierungen im Land und im Bund oberste Priorität haben. Die Betriebe brauchen verlässliche politische Entscheidungen, bessere Bedingungen, echte Entlastungen und sinnvolle Investitionsanreize, um wieder Zuversicht zu schöpfen und optimistisch in die Zukunft zu blicken.
Die Handwerkskammer Erfurt feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Im April ist eine Festwoche geplant. Wie wichtig ist die Organisation für das Handwerk in Nord- und Mittelthüringen?
Die Handwerkskammer Erfurt wurde am 26. April 1900 im Ratssitzungssaal der Stadt Erfurt gegründet. 125 Jahre später, am 26. April 2025, wird die Vollversammlung am gleichen Ort zusammenkommen, als ein Höhepunkt der Festwoche. Damals wie heute spielt die Handwerkskammer Erfurt eine wichtige Rolle. Die verfehlte Handwerks- und Gewerbepolitik im 19. Jahrhundert hatte zu einer Zersplitterung der Handwerkslandschaft mit vielen wirtschaftlich schwachen Marktteilnehmern geführt. Und auch heute stehen die Betriebe vor großen Herausforderungen. Die organisatorischen Strukturen unterstützen die Betriebe, damals wie heute, bei der Bewältigung der Herausforderungen in einer sich immer schneller wandelnden und modernisierenden Wirtschaft. Die Handwerkskammer Erfurt hat eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Handwerks in Nord- und Mittelthüringen eingenommen und will und wird diese auch bei der künftigen handwerkspolitischen und organisatorischen Entwicklung des Handwerks wahrnehmen – für die rund 14.000 Betriebe im Kammerbezirk.