Früher und zielgruppengerechter um Nachwuchs werben
14. Januar 2021
Corona-Pandemie hat den Fachkräftemangel im Handwerk verschärft
Betriebsschließungen, Umsatzausfälle, Lieferengpässe und fehlende Mitarbeiter: Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft, und damit auch das Handwerk in Nord- und Mittelthüringen, weiterhin fest im Griff. „Obwohl sich das Handwerk seit Beginn der Krise mutig und lösungsorientiert präsentiert hat, ist der Schwung, mit dem die Betriebe normalerweise in ein neues Jahr gehen, aktuell deutlich weniger zu spüren als in den Vorjahren“, sagt der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein.
Starke Konsequenzen hat die anhaltende Pandemie auf die Ausbildungssituation. „Etablierte Instrumente der Berufsorientierung und der Berufswahl sind in weite Ferne gerückt. Wir können nur mutmaßen, ob im Frühjahr Messen stattfinden, Schüler Praktika absolvieren oder in unserem Berufsbildungszentrum in Bindersleben in die verschiedenen Berufe des Handwerks hineinschnuppern können. Diese Unsicherheit bereitet uns Bauchschmerzen“, sagt Stefan Lobenstein.
Weniger Auszubildende im Jahr 2020
Momentan zählt das Handwerk in Nord- und Mittelthüringen 3728 Lehrlinge. Im Jahr 2020 sind im Kammerbezirk 1.522 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen worden. Im Jahr 2019 waren es noch 1.623 und damit 6,2 Prozent mehr. „Der schon vor der Corona-Pandemie da gewesene Fachkräftemangel hat sich weiter verschärft. Betriebe können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen“, erklärt der HWK-Präsident.
Auffällig ist, dass im vergangenen Jahr das Bauhandwerk und Baunebengewerbe an Zuspruch gewonnen hat. 2020 wurden im Vergleich zum Vorjahr 69,2 Prozent mehr Ausbildungsverträge für den Beruf Zimmerer registriert. Ein Plus ergab sich auch für die Berufe Maurer (61,5 Prozent), Anlagenmechaniker (15,2 Prozent) und Dachdecker (10 Prozent). Dagegen zu setzen sind ein Minus von 39,1 Prozent für den Beruf Zahntechniker, ein Minus von 32,3 Prozent für den Beruf Friseur, ein Minus von 25,8 Prozent für den Beruf Elektroniker sowie ein Minus von 14,4 Prozent für den Beruf Kfz-Mechatroniker.
Lebensversicherung der Betriebe
Sollten sich auch in diesem Jahr weniger Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden, fehlen den Betrieben in der Konsequenz junge Fach- und Führungskräfte, die die Zukunft der Unternehmen sichern und helfen, die aktuellen und zukünftigen Aufgaben zu meistern. „Auszubildende sind die Lebensversicherung eines jeden Betriebs. Bei gut einem Drittel der Betriebe im Kammerbezirk steht in den nächsten Jahren eine Betriebsübergabe an. Werden diese Betriebe nicht übernommen und fortgeführt, sterben die Werkstätten vor Ort, gar manche Berufe aus. Damit gerät der Wirtschaftsmotor Thüringens ins Stocken“, zeigt Stefan Lobenstein auf.
Um potenzielle Auszubildende zu werben, gehöre – neben der täglichen Arbeit – zu der wichtigsten Aufgabe der Betriebe. „Aktiv Klinken zu putzen, Werbung für den Beruf und den Betrieb zu machen, ist heutzutage unerlässlich“, betont der HWK-Präsident. Weil die gängigen Instrumente der Berufsorientierung aktuell nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind, müssten die Betriebe immer früher damit beginnen. Außerdem sollten sie die jungen Menschen dort abholen, wo sie sich derzeit wohl besonders häufig aufhalten: In den sozialen Netzwerken.
Unterstützung der Handwerkskammer Erfurt
Um Jugendliche, ihre Eltern und auch die Betriebe zu unterstützen, bietet die Handwerkskammer Erfurt zahlreiche Unterstützungsleistungen an. Das beginnt bei der Berufsorientierung mit der Ausbildungsplatz-Hotline, geht über Online-Sprechstunden und (Web-)Seminare und Coachings, bis hin zum Engagement der Ausbildungsbotschafter, die die Berufe auf Augenhöhe nahebringen sollen. In den vergangenen Monaten sind viele Angebote digitalisiert worden. Damit sind sie nicht nur ortsunabhängig und auch im Lockdown verfügbar, sondern jugendgerecht.