Konjunkturelle Achterbahnfahrt der Betriebe
03. Dezember 2020
Finanzielle Engpässe im Handwerk nehmen wieder zu
Das Geschäftsjahr 2020 der Handwerksbetriebe in Nord- und Mittelthüringen gleicht einer konjunkturellen Achterbahnfahrt. „Die Unternehmen sind mit Vollgas ins neue Jahr gestartet, mussten im Frühjahr eine bisher ungekannte Vollbremsung hinlegen und konnten erst mit den schrittweisen Lockerungen der Corona-Maßnahmen wieder an Fahrt gewinnen. Nun hat der Teil-Lockdown, der angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen in Thüringen und Deutschland bis kurz vor das Weihnachtsfest verlängert wurde, erneut deutliche Bremsspuren hinterlassen, zumal die Fortsetzung des Lockdowns nach Neujahr im Raum steht“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Erfurt, Thomas Malcherek.
Während Handwerksbetriebe in Nord- und Mittelthüringen in den Sommermonaten von einer ersten leichten Erholung der Geschäftslage berichteten, nehmen die Auswirkungen der Corona-Pandemie aktuell wieder zu – obwohl sie nicht in dem Umfang wie in der ersten Corona-Welle schließen mussten und der Freistaat unter anderem Kosmetikern und Fußpflegern die weitere Tätigkeit erlaubt. Hart getroffen wurden hingegen Betriebe, die ihre Café- und Imbissbereiche schließen mussten oder die als Dienstleister oder Zulieferer von Unternehmen arbeiten, die eine Zwangspause verordnet bekommen haben.
Laut einer aktuellen Betriebsumfrage rechnen viele Handwerksbetriebe nicht mehr damit, dass sich die Geschäftssituation bis zum Jahresende bessert. Den neuesten Ergebnissen zufolge fallen die erzielten Umsätze in den vergangenen vier Wochen bei 40 Prozent der Betriebe geringer aus als im Vorjahreszeitraum. Abermals stark von Umsatzrückgängen betroffen sind die persönlichen Dienstleistungshandwerke (72 Prozent) sowie die Lebensmittelhandwerke (66 Prozent). Umsatzzuwächse sind hingegen in den Bau- und Ausbaugewerken zu verzeichnen. Sie profitieren derzeit von der bis Jahresende geringeren Mehrwertsteuer, die insbesondere Privatkunden dazu animiert, Reparaturen und Baumaßnahmen in Auftrag zu geben. Daneben melden auch Gesundheitsgewerke Umsatzzuwächse. „Dieser Trend darf jedoch nicht falsch interpretiert werden. Im Frühjahr sind viele Arztbesuche verschoben worden, die nun nachgeholt werden, was zu einem Nachholeffekt in den Gewerken führt“, erklärt Thomas Malcherek.
Viele Probleme schultern
Neben den Umsatzrückgängen lasten weitere Sorgen auf den Schultern der Betriebsinhaber: Mitarbeiter sind verstärkt nicht einsetzbar, weil sie beispielsweise selbst mit dem Coronavirus infiziert oder als Kontaktperson in Quarantäne sind oder auch Kita- und Schulschließungen der Kinder kompensieren müssen. Außerdem sind Betriebe Störungen in den handwerklichen Lieferketten ausgesetzt, die sich in der Konsequenz auf die Erfüllung von Aufträgen auswirken.
Darüber hinaus sinken durch den Teil-Lockdown die Auftragspolster im Handwerk. 38 Prozent der Betriebe rechnen mit einer Fortsetzung des Rückgangs bis zum Jahresende. „Bisher haben sich viele Betriebe dank ihrer Abschlüsse im Vorjahr durch das Corona-Jahr getragen. Weil das Neugeschäft aber eher schwach ist, wird sich die unsichere Geschäftslage vermutlich auch in das neue Jahr ziehen“, blickt Thomas Malcherek voraus.
Weil das Eigenkapitalpolster verschlissen ist und Rücklagen vielfach aufgebraucht sind, hat sich die finanzielle Situation vieler Betriebe im Herbst zugespitzt. „Mit der Verlängerung des Teil-Lockdowns erwarten wir eine erneute Verschärfung der Situation in den nächsten Wochen. Deshalb ist es weiterhin von großer Bedeutung, dass die Betriebe mit staatlichen Hilfsmaßnahmen unterstützt werden, ihre Arbeit aufrecht erhalten zu können“, betont der Hauptgeschäftsführer. Instrumente wie die November- und Dezember-Hilfen müssten daher sowohl den mittelbar als auch den unmittelbar betroffenen Betrieben offenstehen – und rasch ausgeschüttet werden.
Steuermaßnahmen verlängern
Um die Liquidität zu verbessern, spricht sich Malcherek zudem für die Verlängerung der steuerlichen Maßnahmen wie der vereinfachten, zinslosen Stundung sowie ein Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen und von Säumniszuschlägen bis zum 30. Juni 2021 aus. Sie sind aktuell bis zum 31. Dezember 2020 befristet. „Krisen wie diese können nur überstanden werden, wenn sich die Betriebe ein dickeres Eigenkapitalpolster aufbauen können. Der Aufbau eines solchen ist bisher nicht zuletzt durch steuerliche Hemmnisse behindert worden“, sagt er.