"Eine Schieflage des Handwerks kann sich die Bundesregierung nicht erlauben!"Langfristige Lösungen statt kurzfristiger Aktionismus
Präsidentinnen und Präsidenten der Ostdeutschen Handwerkskammern unterzeichnen Resolution beim gemeinsamen Treffen in Erfurt
Die Telefone der Handwerkskammern stehen kaum noch still. "Uns erreichen täglich Notrufe. Immer mehr Handwerksbetriebe brechen unter der Last der aktuellen Energiepreise zusammen. Viele geben ihr Lebenswerk auf und müssen Insolvenz anmelden", alarmiert der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein, beim Treffen der Präsidentinnen und Präsidenten der Handwerkskammern der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, das am heutigen Freitag (09. September 2022) und morgigen Samstag in Erfurt stattfindet. Besonders betroffen seien Lebensmittelhandwerke, Textilreinigungen, Brauereien, Galvaniseure und Kfz-Werkstätten.
Im engen Austausch haben die Kammerpräsidentinnen und Kammerpräsidenten das Entlastungspaket der Bundesregierung ausgewertet. "Die Instrumente sind einzig und allein von kurzfristigem Aktionismus gezeichnet. Was unsere Betriebe jetzt sofort brauchen, sind langfristige Lösungen, um die aktuellen Herausforderungen - die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie und die Auswirkungen der Preisexplosion bei Strom und Gas – zu meistern und weiterhin nachhaltig und wertschöpfend wirtschaften zu können", betont Stefan Lobenstein. Insbesondere in Thüringen und den neuen Bundesländern seien kleine und mittlere Handwerksbetriebe eine tragende Säule der Wirtschaft und würden mit ihren Abgaben und Steuern für Wohlstand sorgen, "Eine Schieflage des Handwerks kann sich die Bundesregierung nicht erlauben", so Lobenstein.
Obwohl sich das Handwerk als Wegbreiter der Energiewende verstehe, dürfe der Klimaschutz in der aktuell düsteren wirtschaftlichen Lage nicht dominieren. "Wir treten für den Klimaschutz ein – jedoch dürfen die politischen Maßnahmen keine existenzbedrohlichen Folgen für unsere Handwerksbetriebe, ihre Beschäftigten und Auszubildenden haben! Trotz des Ausbaus erneuerbarer Energiequellen muss der avisierte Atom- und Kohleausstieg solange verschoben werden, bis die Energiesicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen für alle garantiert ist", stellt der Präsident klar.
Resolution verabschiedet
Das Ergebnis des Austauschs der Kammerpräsidentinnen und Kammerpräsidenten in Erfurt ist eine Resolution, die an die Bundes- und die Länderpolitik gerichtet ist. In ihr sind sechs konkrete Maßnahmen formuliert, die laut Handwerk schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden müssen. "Nur mit ihnen kann die Wettbewerbsfähigkeit unseres Handwerks gesichert werden. Nur mit ihnen ist ein gerechtes und zukunftsfähiges Leben in einer modernen Gesellschaft möglich", sagt Lobenstein.
Die Resolution drängt unter anderem darauf, dass im Fokus aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen jetzt allein die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und des Handwerks stehen muss. Außerdem fordern sie die Neuausrichtung der Energiepolitik mit zuverlässigen Energielieferungen zu wettbewerbsfähigen Preisen und die Senkung der Abgabenlast sowohl für Steuern als auch für Sozialleistungen für die Handwerksbetriebe und deren Mitarbeiter. Als ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften aufgelistet. "Bis 2023 braucht das Handwerk in den neuen Bundesländern über eine Viertelmillion Fachkräfte. Wir fordern durchgreifende politische Maßnahmen, um den Anteil der Auszubildenden sowie der Fach- und Führungskräfte im Handwerk deutlich zu steigern", sagt Lobenstein. Auf dem Weg dahin sei die Gleichstellung der akademischen und beruflichen Bildung in der Gesellschaft - nicht nur mit Worten, sondern auch finanziell - ein wesentlicher Baustein.
Das Handwerk in Ostdeutschland
Das Handwerk in Ostdeutschland umfasst über 201.000 Unternehmen mit mehr als 880.000 Beschäftigten. Diese erwirtschaften in rund 130 Handwerksberufen einen jährlichen Umsatz von etwa 90 Milliarden Euro.